John Miller - Richard Hoeck
Sex Appeal of the Inorganic
Opening: 15. January 2016, 7pm
January - March 2016
Text zur Ausstellung
Richard Hoeck - John Miller Die Allegorie des Anorganischen
Eine Felswand, vielleicht in Tirol. Man sieht eine Gämse. Es ist still. Eine Gestalt erscheint am Rande des Abgrunds, modisch gekleidet. Plötzlich ein Arm, der die Figur stößt und in den Abgrund reißt. Sie trudelt, schlägt auf dem Felsen auf, Gliedmaßen brechen und stürzen in die Tiefe. Der Körper taumelt in den Abgrund, es ist nichts zu hören als weißes Rauschen, das Zwitschern von Vögeln sowie das trockene Geräusch zerberstender Körperteile, die in Mulden liegenbleiben. Die Langsamkeit der Bewegungen in Zeitlupe intensiviert den Moment des Zerfallens der Körper. Die Szene wiederholt sich mit anderen Figuren. Zuletzt liegen die Teile zerschellt inmitten des Felsens. Ein Video, das den Augenblick zwischen Leben und Tod festhält, die Auflösung des Körperlichen.
In der Ausstellung Sex Appeal of the Inorganic thematisieren Richard Hoeck und John Miller die Ambivalenz des Anorganischen. Die Figuren aus dem Video Mannequin Death sind Schaufensterpuppen. Die Überhöhung der Wirklichkeit ist hier bewusstes Stilmittel zur Darstellung einer die Wirklichkeit übersteigenden Realität, die uns jedoch unmittelbar berührt. Walter Benjamin hat in seinem Fragment „Passagen-Werk“ jenen Begriff geprägt, den die beiden Künstler als Ausstellungstitel wählten, der „Sex Appeal des Anorganischen“: In dem Werk heißt es: „Die Mode“[...] verkuppelt den lebendigen Leib der anorganischen Welt. An dem Lebenden nimmt die Mode die Rechte der Leiche wahr. Der Fetischismus, der dem sex-appeal des Anorganischen unterliegt, ist ihr Lebensnerv.“
Es ist das Oszillieren zwischen der Welt der unmittelbaren Anschauung, im Video ist dies die Natur, die Felsen und Tiere und einer sie übersteigenden Art von Hyperrealität, eine Inszenierung des Natürlichen mittels Gliederpuppen und einer am Zeitgeist orientierten Mode. Der Betrachter nimmt diese Welt als schaurig schönen Schein wahr. Es ist gleichsam eine Allegorie unserer Wirklichkeit. Der Schein wird zum Realen, die Mode als sich immer wieder erneuernde Flucht vor dem Unvermeidlichen. Die Schaufensterpuppen sind Prototypen des Menschlichen. Wir betrachten uns selbst als Allegorie des Vergänglichen, als Metapher des Lebens und des Todes.
Dies wird auch in den hyperrealistischen, riesigen Prints sichtbar, die als Hochformate fast wie Werbeplakate an der Wand hängen. Gliedmaßen stapeln sich, die Verletzungen der Puppen werden zu archetypischen Verletzungen des Menschen im allgemeinen. Die Schichtungen, Überlagerungen, die einzelnen Körperteile sind ästhetisch faszinierende Allegorien des hic et nunc. Zugleich suggerieren sie Erstarrung, Unveränderlichkeit, das Ewige. Auf erschreckend schöne Art zeigt sich dies auch im Haufen realer Bruchstücke menschlicher Körper. Die Überreste menschlicher Körper, die ja wiederum „nur“ Schaufensterpuppen sind, erinnern an Memento mori des Barock und zugleich verkörpern sie jene bereits erwähnte Faszination, den sex appeal, des Anorganischen.
Gaby Gappmayr, 2016