Richard Hoeck - Rudolf Polanszky
Dandyism in Globalization
Opening 13.September 2019
September - October 2019
Text zur Ausstellung
In Richard Hoecks Wohnung stand längere Zeit eine Schaufensterpuppe vor einem Bild von Rudolf Polanszky, das ziemlich gut sein muss, denn die Figur stand wirklich lange davor. Hoeck hat häufig mit Künstlerkollegen zusammen gearbeitet, wie z. B. mit Heimo Zobernig oder Franz West. Diese Kollaborationen können punktuell sein oder über Jahre hinweg stattfinden, wie mit John Miller, mit dem er immer wieder gemeinsam ausstellt. Das ist einerseits eine Möglichkeit, die eigene Subjektivität zu hinterfragen, andererseits erweitert es den Spielraum der Künstler*innen in einer durchformatierten, arbeitsteiligen Kunstwelt.
Statt über Gemeinsamkeiten erschließt sich die Ausstellung allerdings über Bewegungen, die sich immer wieder gegenseitig aushebeln. Das beginnt bereits mit dem Poster zu Dandyism in Globalization, auf dem die Namen Richard Hoeck und Rudolf Polanszky überklebt sind und das zudem entgegen seiner PR-Funktion nur einmal existiert, und reicht bis zu den dysfunktionalen Türen, die den Galerieraum zwar visuell erweitern, aber nirgendwo hinführen. Sie erinnern an ein von Duchamp formuliertes Paradox einer gleichzeitig geöffneten wie geschlossenen Tür, das zustande kommt, weil die Tür zu zwei Räumen zugleich gehört. Während sie den einen öffnet, schließt sie den anderen und umgekehrt.
Rudolf Polanszky zeigt vier Bilder aus teils reflektierenden, transparenten oder verwitterten Industrieabfällen, die auf Leinwände montiert sind. Ihre hohe Attraktivität verdanken sie erlernten Sehgewohnheiten, die uns in Schichtungen von Materialresten Kunst erkennen lassen und der Freude darüber, dass diese Arbeiten nicht sofort erklären, was man von ihnen zu halten habe. Polanszky treiben jedoch eher Denkprozesse an, die sich im Umgang mit dem Material beobachten lassen, als ein auf ein ästhetisches Ergebnis ausgerichteter Gestaltungswille. Sich dagegen zu verwehren, dass dabei kommodifizierbare Bildformen herauskommen, wäre eine Konvention, der sich der Künstler ebenfalls entzieht. Vor dreien seiner Bilder steht jeweils eine Schaufensterpuppe von Richard Hoeck, ein stellvertretender Betrachter, der den Betrachter*innen den Rücken zukehrt, wie Repoussoir- oder Staffagefiguren in der Malerei, die zwischen Bild- und Realraum vermitteln, um den Blick ins Bild zu lenken. In der Galerie ist die Figur herausgetreten und versperrt den Blick. Betrachtet sie das Bild oder sich selbst in ihrer Scheinwelt? In der Reflexion auf der Bildoberfläche löscht sie einen Teil der Information aus und ersetzt sie durch das eigene Spiegelbild.
Die narzisstische Konstellation erinnert an den „Bio-Adapter“ von Oswald Wiener, einen Glücksanzug, der dem Träger, die eigenen Wünsche spiegelt, die Umgebung nach und nach ersetzen. Wiener beschreibt damit 1969 noch vor der allgemeinen Einführung des Internets etwas ähnliches wie die Filterblasen von heute, die uns immer nur die Informationen und Meinungen zurückspiegeln, die unsere eigenen Standpunkte bestätigen. Wie können wir aus diesen Feedback-Schlaufen wieder aussteigen? Braucht es eigene Freiräume, die weniger der Kontrolle der Gesellschaft unterliegen und deswegen Innovationen hervorbringen können oder erlauben gerade überschaubare Zusammenschlüsse, uns zu regulierbaren Objekten zu machen? Die Stärke der Ausstellung liegt genau darin, das Spannungsfeld zwischen der Selbstbezüglichkeit der Kunst und ihrer Politizität aufzumachen.
Es werden verschiedene soziale Sphären angesprochen, die Welt der Kunst, das Bordell und das Gefängnis bzw. Mädchenheim, scheinbare Heterotopien, die eigenen Gesetzen unterliegen, tatsächlich aber vollständig vom Kapitalismus durchdrungen sind. Hoecks Türobjekte beziehen sich auf die Falltüren zu einem Karzer im Tiroler Landeskinderheim Martinsbühel, in dem unter kirchlicher Trägerschaft bis 2008 Missbrauch und Folter an der Tagesordnung waren. Eine andere Arbeit zeigt das Foto von einem Nebeneingang in ein Bordell, das mit Stickern unterschiedlicher feministischer Gruppierungen beklebt ist, die also die Diskussion aus der eigenen Community in den urbanen Raum tragen. Bezogen auf den Titel der Ausstellung wäre der Dandy heute vielleicht gerade kein Zyniker, sondern jemand, dessen Neugierde ihn permanent aus den sich selbst bestätigenden Feedback-Schlaufen heraustreibt, um zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.
Anette Freudenberger, 2019