Peter Kogler
Opening 9.November 2018, 7pm
November - February 2019
Text zur Ausstellung
Peter Kogler Raumstrukturen
In der aktuellen Ausstellung Peter Koglers in der Galerie Widauer ist als zentrale Installation eine für die Ausstellung konzipierte mehrteilige Raumkonstruktion zu sehen. Wenn der Betrachter den Galerieraum betritt, ist er unmittelbar in Koglers Werk. Er betritt einen von einem komplexen Liniengeflecht durchzogenen konkreten euklidischen, d.h. architektonisch konkret erfassbaren Raum. Peter Kogler faszinierte immer schon das Prinzip räumlicher Durchdringung, komplexer Schichtungen, Überlagerungen und netzwerkartiger Verflechtungen im Raum. So ist das vielschichtige Strukturgeflecht, das den Betrachter im wörtlichen Sinne erfasst und ihn als intrinsisches Objekt im dreidimensionalen Raum postuliert, eigentlich selbst das Ergebnis eines komplizierten virtuellen Programms. Die Verdichtung der Lineaturen, ihre Netzstruktur, seltsam kräuselnde Ausformungen sind sichtbare Zeichen der Komplexität und auch Begrenztheit des digitalen Programms, sie alle bilden eine den Betrachter ganz unmittelbar mit einbeziehende Flächen- bzw. Raumstruktur, die von sogartiger Wirkung ist. Durch die All-Over Struktur der Lineaturen gerät der Betrachter in den Sog des Raumes, er scheint gleichsam selbst in jenem Schwebezustand, wie wir es von Schilderungen von Astronauten aus dem Weltraum kennen - gleichsam die Schwerelosigkeit als Denkvorstellung und Aufhebung des reinen euklidischen Raumes mit einem klar definierten Oben und Unten. Dazu kommen zwei weitere raumgreifende Elemente, zum einen der auf der virtuellen, anatomischen Darstellung einer Hand basierende Digitaldruck und auf der Wand gegenüber der auf präzisen, virtuellen Daten der NASA basierende Astronaut im Raumanzug. Die Idee der Schwerelosigkeit übte immer schon eine große Faszination auf den Menschen aus. Ein Prinzip, das darauf beruht, dass sich der Mensch gleichsam in einem von der Gravitation unabhängigen Schwebezustand befindet, ist nach wie vor faszinierend und mag auch im Hinblick auf die 50 jährige Wiederkehr der Mondlandung von Neil Armstrong und Buzz Aldrin in der Raumsonde Apollo 11 im Jahre 1969 eine Hommage an jenen Menschheitstraum von der Erkundung des Universums sein.
Peter Kogler transzendiert diese Idealvorstellung mit einer präzisen, computergenerierten Wiedergabe des Astronauten sowie einer isolierten Darstellung der Hand, mit einer Geste des Verweisens, ein Indikator, ein Aufruf. Kogler sublimiert all diese unterschiedlichen Ebenen als Gesamtbild einer konstruktiven Umsetzung des Raumes – Durchdringung des Erfassbaren, des Virtuellen, des Vorgestellten - mit großer Klarheit und Leichtigkeit. Ähnliches gilt für die Serie von Collagen, die in ihrer materiellen, konzeptuellen und inhaltlichen Heterogenität kleine historische Universen darstellen, eine persönliche zeitgeschichtliche Referenz des Künstlers an seine eigene Vergangenheit und Geschichte. Es vermischen sich auf subtile Weise Referenzen an eigene künstlerische Projekte, unterschiedlichste Materialien und historische Momente. Was das unmittelbare Begreifen von der Komplexität des Raumes im großen Galerieraum ist, ist das nur auf den ersten Blick unscheinbare Geflecht aus selbst Erlebtem, Wesentlichen, historisch Bedeutsamen, Weltereignissen und künstlerischer Produktion im kleinen Raum.
Peter Kogler gelingt es auf prägnante Weise unterschiedlichste Konstituenten der Raumerfahrung sichtbar und erlebbar zu machen – physisch als unmittelbare Erfahrung im Raum wie auch reflektierend als Dokumente des Zeitgeschehens im Kabinett. Dem entsprechen auch die schwarz weißen ikonischen Einzelelemente in den kleinformatigen Werken im Obergeschoss. Sie sind zarte, subtile Verdichtung charakteristischer Elemente im Universum des Künstlers wie Atlas, Glühbirne, Ameise oder Hand. Die rote Bank ist in ihrer konstruktiven Architektur vielschichtige Anspielung auf die raumgreifende Struktur des Sitzmöbels wie beschützend, vereinnahmende Pose der Hand.
In diesem Sinne ist Peter Koglers Konzept einer Schichtung, Vernetzung und eines Innfragestellens von Dimensionen des Raumbegriffes von großer Relevanz auch in der aktuellen Debatte um die Erforschung des Universums. Die künstlerische Konzeption des Raumes bleibt universell, denn die Frage, was ist der Raum, wie erfassen wir ihn, und wie konstituieren wir Begrifflichkeiten wie Zeit und Raum überhaupt, ist allgemeingültig. Dies macht Kogler in seinen Werken auf prägnante Weise sichtbar und unmittelbar zugänglich.
Gaby Gappmayr, 2018