Heinz Gappmayr
Opening: 29. November 2019, 7pm
November - January 2019
Text zur Ausstellung
Heinz Gappmayr – Zur Idealität des Begrifflichen
Es gibt von Heinz Gappmayr eine Reihe von Texten und Entwürfen, die als Vorzeichnungen für eine konkrete Umsetzung im Raum bestimmt sind. Für Gappmayr ist Sprache immer mit der Vorstellung von Raum verbunden. Es stellt sich die Frage, was ist der Begriff Raum?
Zum einen ist Sprache immer raumbildend, da jeder Begriff eine Vorstellung in uns auslöst. Nehmen wir den Begriff Raum selbst. Der Raum ist in einem platonischen Sinne die Idee desselben, somit liegt er – nach Kant – vor jeglicher Erfahrung, denn alles, was geschieht, geschieht in der Zeit und im Raum.
„Der Raum ist kein empirischer Begriff, der von äußeren Erfahrungen abgezogen worden ist. – [...] Er ist eine notwendige Vorstellung a priori, die allen äußeren Anschauungen zugrunde liegt. Man kann sich niemals eine Vorstellung davon machen, daß kein Raum sei, ob man sich gleich ganz wohl denken kann, daß keine Gegenstände darin angetroffen werden.“ (Kant, Die drei Kritiken, Kröner Verlag Stuttgart, S. 119)
In der dreiteiligen Arbeit Raum von 2005 thematisiert Gappmayr eine begriffliche Differenzierung des Räumlichen. Da ist etwa der architektonische Raum, skizziert hier als Raumentwurf. Eine weitere Vorstellung des Räumlichen manifestiert sich in der Beziehung des Betrachters zum Raum, am letzten Blatt steht nur noch der Begriff Raum auf einer leeren Fläche. Dies impliziert den Raum als a priori Erfahrung, d.h. wir bewegen uns wie selbstverständlich in Zeit und Raum, ohne dass wir dabei auf eine konkrete Erfahrung zurückgreifen könnten. Die beiden Begriffe Zeit und Raum liegen somit vor jeder Erfahrung, sie sind vielmehr die Voraussetzungen all unserer Erfahrungen. Heinz Gappmayr verstand diese Implikationen als Anreiz zu einer künstlerischen Auseinandersetzung mit fundamentalen Fragen unserer Existenz. Eines der schönsten und faszinierendsten Elemente ist die Sprache. Nur in der Sprache ist es etwa möglich, unanschauliche Begriffe sichtbar zu machen, Gedanken zu materialisieren, dem Vorgestellten physische Präsenz zu verleihen und umgekehrt durch die Präsenz des Wortes auf die Welt der Vorstellung, des Idealen, zu verweisen.
In der Ausstellung bei Hans Widauer steht das Wort GEDANKE in Großbuchstaben aus eloxiertem Aluminium auf der Wand. Die monumentale visuelle Erscheinung des Wortes entspricht der Präsenz des Gedachten. Die physische Präsenz des Wortes korrespondiert mit der raumgreifenden Intensität der reinen Vorstellung. Das Ideenhafte, Transzendente des Begriffes steht im Mittelpunkt. Die sprachliche Präsenz des Begrifflichen zeigt sich in der Einfachheit des Dargestellten. Das Wort Gedanke ist die physische Entsprechung einer rein gedachten Wirklichkeit. Dazu kommt, dass dem Begriff selbst etwas Prozessuales innewohnt, d.h. der Künstler setzt durch das Wort im Betrachter einen Denkprozess in Gang. Dabei steht die Tatsache im Mittelpunkt, dass es dem Menschen möglich ist, zu denken, Gedanken zu fassen, Ideen neu zu erschaffen. Denken und Sprache bedingen einander.
Ähnliches gilt auch für Farbbegriffe. In der Wandarbeit weiss von 1965 geht es um die räumliche Durchdringung zwischen Farbbegriff und der konkreten weißen Wandfläche. Der Bildträger wird zum konstitutiven Teil des Werkes. Die Anordnung der vier Wörter folgt einem dynamischen, ja geradezu malerischen Gestus. Folgen wir der Leserichtung, so stieben die Buchstaben aus einem imaginären Zentrum nach außen, in kreisartiger Bewegung. Und plötzlich überlagern sich die unterschiedlichen Ebenen, die physisch präsenten Wörter, die weiße Wand, der Bildraum, die Begriffe. Die Transparenz des Begrifflichen entspricht der Wortbedeutung, die Wörter bringen den Begriff zum Schimmern. Das Weiß wird zur Kategorie des Idealen, eine Vorstellung, ein Gedanke, ein dynamischer Bildraum.
Die beiden Skulpturen sind ebenfalls frühe Beispiele einer Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Raum. 1962 schuf Gappmayr zwei Modelle, bei denen ihn vor allem die Raumwerdung des Begrifflichen interessierte. Auf der schlanken Säule verdichten sich Buchstaben des Wortes ist in unterschiedlichen Intensitäten. Das Wort ist impliziert unmittelbare Gegenwart, Anschauung, Jetzt. Schön ist dabei die intendierte Bewegung des Betrachters im Raum, das Wort verändert sich, erscheint in unterschiedlichen Konstellationen. Beim Würfel, ebenfalls von 1962, ist das Wort sichtbar über alle Seiten des Würfels verteilt, nie sehen wir alle Seiten des Würfels gleichzeitig, wir setzen die Ganzheit der geometrischen Form voraus, physisch erfassbar ist jedoch immer nur die Seite, die wir gerade sehen. Der Begriff sichtbar verdeutlicht dies auf einer rein begrifflichen Ebene.
Gappmayr thematisiert in seinem konzeptuellen Werk den Kosmos der Sprache als ideales Medium der Kunst, wobei besonders die Differenz, die Berührungspunkte, sowie der Schwebezustand oder auch die Brechung zwischen der Welt des Begrifflichen und jener der konkreten Wahrnehmungswirklichkeit unerschöpfliche künstlerische Möglichkeiten eröffnet. Eine gerade Linie als Kontinuum im Raum erscheint bei Gappmayr in der Schrift als nur scheinbar lineare Buchstabenfolge. Die Leserichtung von links nach rechts wird gleichsam gespiegelt von rechts nach links gebrochen, auf subtile Weise wird die Kontinuität des Linearen durch die Schrift überlagert. Visuelle und konzeptuelle Wirklichkeit durchdringen einander.
Gaby Gappmayr 2019