Alfons Egger & Beatrix Sunkovsky
Die Wanderer
Opening: 8. November 2019, 7pm
November 2019
Performance by Alois Muehlbacher and Franz Farnberger

Text zur Ausstellung
DIE WANDERER

Das Kernstück des Performativen Vortrags von Alfons Egger und Beatrix Sunkovsky ist das berühmte Lied Der Wanderer von Franz Schubert. Es ist ein Lied nach dem Gedicht Des Fremdlings Abendlied von Georg Philipp Schmidt von Lübeck. Zwischen 1816 und 1818 schrieb Schubert drei unterschiedliche Fassungen. Durch die Änderung des Titels durch Schubert steht eines der zentralen Leitmotive der Romantik im Mittelpunkt: Es ist das Bild des einsamen Wanderers, der heimatlos umherzieht, an Vergangenes denkt und sich der allmächtigen Natur gegenüber sieht. Es ist kein Zufall, dass Caspar David Friedrichs Bild Der Wanderer über dem Nebelmeer ebenfalls 1818 entstand und den Menschen alleine vor der wilden Gischt des Meeres zeigt.

Der Dichter entwirft schon in den ersten Versen eine melancholische Seelenlandschaft, „Ich komme vom Gebirge her / Es dampft das Tal, es braust das Meer / Ich wandle still, bin wenig froh / Und immer fragt der Seufzer, wo?“ Der existentielle Charakter des Gedichts wird in der zweiten Strophe deutlich, wenn es heißt, „Ich bin ein Fremdling überall.“ Der Mensch ist einsam auf seiner Suche nach dem Glück, nach etwas, das er selbst nicht benennen kann: „Wo bist du, mein geliebtes Land?“ Es ist ein Land der Sehnsucht, des Fernen, des Unerreichbaren. Weder das Leben noch die Natur erfüllen den Menschen. Die Natur ist unbarmherzig, kalt, die Blüten welk, die Täler nebelverhangen, das Meer rauscht und der Mensch ist allein und fremd inmitten dieser Natur. – Text und Melodie in Schuberts Lied suggerieren Weltschmerz, Entrücktheit,  vielleicht auch Sehnsucht nach einem Jenseits, wo alles besser sein möge als im irdischen Leben. Schubert wählte eine ebenso fahle wie suggestive, ja das Transzendente implizierende Tonart, cis-moll. – Erfüllung findet der Mensch nie auf Erden, denn, so heißt es im berühmten Schlussvers. „Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück.“

Alfons Egger und Beatrix Sunkovsky „inszenieren“ dieses Lied als expressiven Klangkörper im Raum. Durch die zarte, engelsgleiche und so dem Jenseitigen entsprechende Färbung des Countertenors von  Alois Mühlbacher (am Klavier Franz Farnberger) erscheint das Lied als Monolith auf einer von Alfons Egger gestalteten Holzbühne. Der an alte Zeiten gemahnende rote Vorhang verweist auf den intimen Charakter des Liedes ebenso wie auf die Inszenierung des Romantischen.  Der Bühne gegenüber sind zwei großformatige Bilder von Beatrix Sunkovsky. Ihre enigmatisch geometrischen Schichtungen in kühlem Graphitgrau stehen in starkem Kontrast zur Welt Schuberts, und doch gibt es eine Affinität in Bezug auf die Weltsicht der Künstlerin. Ihre Bildräume sind menschenleer, geschichtete Formen in einem Nicht-Raum.  – Dem stellt Alfons Egger disparate, assoziative Bildwelten entgegen, Bezüge zu Schubert und den Interpreten, Gedankenfetzen (Meteor, Wanderer) und radikale Einblicke in Kopfwelten spiegeln die künstlerisch existentielle Auseinandersetzung mit dem Gedicht und der Musik Schuberts wider.

Wanderer sind wir alle, der Künstler, die Künstlerin, der Sänger, der Komponist, der Dichter, der Mensch an sich. Und so werden wir durch diesen eindringlichen performativen Vortrag in den Bann gezogen und sehen uns selbst wie von außen, als Menschen, die das Leben als Wanderer durchmessen. Die Künstlerin und die Künstler gewähren einen weltschmerzlich sehnsuchtsvollen und abgründigen Blick auf diese Welt.

                                            Gaby Gappmayr, 2019