Karl Unterfrauner
Opening: 26. September 2008, 7pm
October - November 2008
Text zur Ausstellung
Karl Unterfrauner Abbild und Wirklichkeit
Die Fotografie ist ein äußerst komplexes Medium, sowohl was ihre technischen Voraussetzungen und Möglichkeiten anlangt, als auch in Bezug auf ihre Inhaltlichkeit. Sie ist ein Abbild der Wirklichkeit, wobei sie Wirklichkeit als einmaligen, unwiederbringlichen Augenblick festhält. Zudem ist das einzelne Foto ein vom Fotografen bewusst gewählter Ausschnitt aus der Wirklichkeit. Somit ist das Medium schon in sich eine Transformation des Realen. Was wir sehen, ist nicht der reale Gegenstand, sondern seine Projektion als zweidimensionales Abbild auf dem belichteten Fotopapier. Karl Unterfrauner zeigt in der Ausstellung in der Galerie Widauer neueste fotografische Werke. Im Mittelpunkt seiner künstlerischen Beschäftigung mit der Fotografie steht die Grenze zwischen der konkreten Wahrnehmungsrealität und ihrem fotografischen Abbild. Was verändert sich, wenn ein Gegenstand als überdimensionales Foto ausgestellt wird? Das Licht, der Ausschnitt und der Blickwinkel sind die bestimmenden Elemente jener unmerklichen Transformation des Alltäglichen ins Magische. Eine einfache Straßenlampe wird durch die Beleuchtung, die Größe des Fotos und die fotografischen Details zum Sinnbild von Einsamkeit, die schwach erleuchtete Straße mit dem Richtungspfeil erscheint als vager Indikator von Unendlichkeit, der Hintergrund verliert sich im Dunkel der Nacht. Schärfe und Unschärfe sind ebenfalls charakteristische fotografische Mittel des Künstlers. Die Nachtaufnahmen von Gärten lassen den eleganten, weiß gestrichenen Zaun als krassen Gegenpol zur dunkeln, kaum auszumachenden Natur dahinter erscheinen. Das dunkle Grün der Bäume und des Gebüschs wird zum mystischen Gegengewicht zur gleißenden Schärfe ihrer künstlichen Begrenzung. Ebenso verändert Unterfrauner die banale Pfütze.
Im düster dunklen Kontrast der Nachtaufnahme scheint das Gewässer als geheimnisvoll opake Fläche mit ihrer matt irisierenden Oberfläche. Die Undurchdringlichkeit des Wassers und die Symbolik der Reflexion basiert nicht auf der naturgetreuen Wiedergabe der Natur, sondern ihrer fotografischen Transformation. Umgekehrt wird die scheinbar banale Fotografie eines Brillengestells zu einer fast physiognomischen Studie der weißen Fläche. Abwesenheit füllt sich mit Inhalt.
Karl Unterfrauner setzt sich vor allem mit jener Magie des scheinbar Alltäglichen auseinander. So reproduziert er Wirklichkeit, um durch die Oberflächlichkeit der Darstellung eine verborgene Vielschichtigkeit bloßzulegen. Ein schönes Beispiel dafür ist die Klingel, die auch als Foto im Format dem realen Gegenstand entspricht. Die Pragmatik des Objekts lenkt uns von der auratischen Kraft des Gegenständlichen ab. Erst in der artifiziellen Umsetzung durch die Fotografie wird uns das Geheimnis des Alltäglichen offenbar. Auf der Klingel erscheinen Namen, dahinter verbergen sich Lebensgeschichten und Schicksale. Die ungleichmäßige Beleuchtung lässt manche Namen hervortreten, andere bleiben im Dunkeln, Handschriften evozieren den temporären Charakter der Wohnsituation, Namen suggerieren Herkunft.
Die in dieser Ausstellung präsentierten Werke von Karl Unterfrauner vertrauen dem transzendenten Charakter scheinbar unbedeutender Gegenstände. Allein durch den Blick des Künstlers und die elementare Brisanz der Fotografie werden sie zu mystisch magischen Objekten unserer Imagination.
Gaby Gappmayr, 2008