David Rych
BesucherInnenschule
Opening: 12. January 2018, 7pm
January - March 2018

Appropriation und Analyse - Der Mensch im Spiegel Künstlicher Intelligenz

Im Mittelpunkt der für die Ausstellung in der Galerie Widauer konzipierten Arbeiten von David Rych ist ein archetypisches Werk des Künstlers, das als exemplarisch für seine grundsätzliche künstlerische Konzeption stehen mag. In der Galerie sitzt eine im Grunde „digisexuelle“ Puppe im Jogginganzug, ganz in Schwarzweiß. Ihr gegenüber ist ein weiterer Sessel, auf dem der Besucher der Ausstellung Platz nehmen soll. Die Sessel selbst sind eine Referenz an die documenta 4 von 1968. Der Titel der Ausstellung  BesucherInnenschule ist eine dem Zeitalter des Genderns geschuldete Annäherung an die Besucherschule anlässlich eben jener documenta 4, einer auf dem Konzept einer Interaktion zwischen Kunstwerk, Besucher und Aneignung des Kunstwerkes durch den Besucher selbst basierenden Idee von Bazon Brock. Dieser Ansatz des Interaktiven, jener komplexen Beziehung zwischen Besucher, Kunstobjekt und dessen Aussage wird bei Rych entsprechend seiner Zeit als Geflecht aus Wirklichkeit, künstlicher Intelligenz und einer Transformation des Visuellen inszeniert.

Das Jahr 1968 ist für Rych Ausdruck eines Schmelzpunktes der Geschichte, einer allgemeinen Stimmung des Widerstandes und der Auflehnung gegen politische Systeme aber auch einer künstlerischen  Aufbruchsstimmung. Es mag Zufall sein, dass eben auch in jenem Jahr der Roman Do Androids Dream of Electric Sheep? von Philip K. Dick erschien, der als Vorlage für Ridley Scotts bekannten Science-Fiction Film Blade Runner diente. Unter anderem geht es hier um die Frage, worin sich Mensch und Androide voneinander unterscheiden. Ein wesentliches Kriterium ist dabei das Fehlen von Empathie bei den Androiden.

Sitzt der Besucher nun der Puppe, jenem seltsam androgynen, erschreckend real wirkenden Wesen von geradezu hypnotischer Künstlichkeit gegenüber, so erfasst die Puppe ihr Gegenüber und überträgt die visuellen Impulse mittels digitaler Prozesse in ein Sprachsystem, dessen auf Algorithmen beruhendes Ergebnis als Sprachmessage auf der Wand sichtbar ist. David Rych und Martinus Suijkerbuijk, der als Künstler und Concept Engineer für die Entwicklung der Softwarekomponenten zuständig war, entwickelten dieses androide Wesen, das mit seinem responsive eye Bilder in Sprache umsetzt. Die Schwelle der Eigenständigkeit künstlicher Intelligenz wird hier ebenso thematisiert wie die merkwürdig nüchterne, zuweilen absurde aber auch faszinierende „Sprache“ des Digitalen mit ihrer distanziert objekthaften scheinbaren Neutralität.

Jene Diskrepanz zwischen Bild und Sprache ist auch Thema der Zeichnungen Rychs. Er nimmt hier wiederum Bezug auf charakteristische Bildwelten der documenta 4 und stellt ihnen das Ergebnis der digitalen Analyse entgegen, wobei oft seltsam sinnhafte Bezüge entstehen, die jene auf den ersten Blick disparaten Elemente aus Zeichnung und Sprache verbinden. Manchmal  scheint der Computer eigenständig Entscheidungen zu treffen, sich gleichsam dem Menschen entgegenzustellen, wenn es auf einer Zeichnung etwa heißt: ”I think this may be inappropriate content so I won’t show it“. 

In seinen Werken und Konzepten entwickelt Rych Bezugssysteme, die divergierende Ebenen umfassen: Die Faszination für die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz (1960er Jahre mit dem Programm  ELIZA, dem Deep Blue von IBM aus den 1990er Jahren oder Googles Rank Brain von 2016) spiegelt sich an historischen Schnittstellen (die 1960er Jahre) mit entsprechend verankerten Sehgewohnheiten, kulturellen Identitäten und politischen Wirklichkeiten. Ein Kaleidoskop des 21. Jahrhunderts, durch welches der Künstler  mit dem Blick in die Geschichte auch die Frage nach den Grenzen menschlicher Erkenntnis und des Denkens an sich stellt.

                                                                                                                                                                                                 Gaby Gappmayr 2018